Über Grenzen, Zeitgeist und Qualität 

  
Ein Dauerbrenner bei Erziehungsfragen ist das Thema Freiheit und Grenzen. Viele Eltern sind heute (wie damals) verunsichert wie viel Freiheit gut ist, wo man Grenzen setzen soll.

Wenn wir uns Menschen ansehen, so sind wir in zwei Räume eingebettet: die Natur, die so ist wie sie ist, und die Kultur, die wir gestalten. 

Die Grenzen in der Natur sind festgelegt. Wir können nicht mit einem Gewitter debattieren, dass wir jetzt lieber auf einen Baum klettern wollen, denn das Gewitter macht keine Konpromisse. Es ist da. Natürlich sind wir „frei“ zu entscheiden trotzdem zu klettern, aber die Konsequenzen tragen wir selbst. Im Endeffekt setzen sich in der Natur die Fittesten durch und das sind die mit Mut und Hirn. Die nur mit Hirn werden zwar schöne Ideen haben, aber es braucht Mut um Ideen umzusetzen. Und die nur mit Mut trifft halt der Blitz beim Klettern im Gewitter. 😉 Simple as that.

Die Natur ist also sehr klar in ihren Grenzen und diese Klarheit hat manchmal durchaus etwas grausames. Man muss ja harmloses Klettern nicht gleich so hart bestrafen. Hier betreten wir den Raum der Kultur, in dem wir unsere Natur gestalten, zB. indem der Stärkere sich um den Schwächeren kümmert. Sei es aus „Menschlichkeit“ oder wegen eines Lohns oder einer Abmachung… hier gibt es Konventionen, Traditionen, Sitten und Bräuche. Dieser Raum ist von uns konstruiert, auch dessen Regeln und Grenzen. Und jetzt sehen wir wo es beginnt schwierig zu werden. Denn das ändert sich.

Zeitgeist. Das ist etwas, das wir alle spüren, in das wir eingebettet sind, ob wir wollen oder nicht. Wir können uns dagegen wehren, wir können im Strom mitschwimmen, wir können ihn mitgestalten – die Entscheidung hierfür liegt bei uns.

Kinder widerspiegeln den Zeitgeist (schon immer) besonders direkt. Sie widerspiegeln ihn heutzutage vor allem dann, wenn sie unzufrieden sind, wenn sie mehr wollen, wenn man ihnen nichts recht machen kann – Hand aufs Herz, wer kennt das nicht? Es ist der Kapitalismus, der hier aus unseren Kindern spricht. Und ironischerweise ist das ein bisschen wie in der Natur: der ist (jetzt) einfach. 

Früher waren die Regeln in der Kinderstube oft strenger. Die Kultur mit ihren Konventionen wurde den Kindern geradezu eingedrillt. Dafür waren gerade diese Kinder von früher oft noch in der Lage in der Natur herumzustreunen und unbeaufsichtigt zu spielen, Banden zu bilden und ihre Grenzen zu testen.

Heute sind wir nicht mehr so streng, manchmal sind wir sogar besonders freilassend. Viele finden es altmodisch den Kindern „Bitte“ und „Danke“ und „Auf Wiedersehen“ abzuringen. Dafür ist den Kindern der freie Spielraum verloren gegangen, gerade in den Großstädten. Freizeit ist oft gelenkt, aber gleichzeitig ist man bei Grenzen die früher ganz selbstverständlich waren (die Gruppe kommt vor dem Individuum), zurückhaltend. Für die Wirtschaft kommt das sehr gelegen, nicht nur der Individualitätsschwerpunkt  (jedem sein persönliches Produkt) als auch die Akzeptanz der Kontrolle (Stichwort Datenverwaltung, Überwachung).

Das soll jetzt keine Wertung sein, vielmehr eine Aufforderung sich Gedanken zu machen… was hilft meinen Kindern? Was hilft der Gesellschaft? Wo arbeite ich an mir? Was will ich vermitteln? In welche Richtung gestalte ich am Zeitgeist mit?

Ich für mich merke, das die Entwicklung einer Haltung des Genughabens, des Zufrieden-Seins mit kleinen Dingen, der Dankbarkeit und der Bescheidenheit anstrebenswert erscheint. 

Und wo setze ich da an? Richtig, an der Qualität. Wenig, aber gutes. Kein Billig-Ramsch. Keine Wegwerfkultur. Keine Konsum-Ankurbelung durch Sammeloptionen oder ständige Verbesserungen, die altes alt aussehen lassen. Das alles ist heute schwer. Und auch nicht immer umsetzbar. Aber es lohnt sich aufmerksam zu sein. Sich am Kleinen zu freuen. Auch einmal zu verweigern, zu verzichten. Oder die qualitätvollere Version zu wählen. Oder die gebrauchte. Oder etwas selbst zu machen. Lauter kleine Puzzlestücke auf dem Weg zu etwas Ganzen…